Arzthaftungsrecht - Behandlungsfehler
Das Arzthaftungsrecht ist ein sehr spezielles zivilrechtliches Teilgebiet des Medizinrechts. Es befasst sich mit den Ansprüchen von Patienten bei fehlerhaften medizinischen Behandlungen. Was landläufig "Kunstfehler" oder in den Medien gerne "Ärztepfusch" genannt wird, nennt der Jurist "Behandlungsfehler".
Nicht jede erfolglose oder misslungene ärztliche Behandlung ist aber ein Behandlungsfehler und nicht jeder Behandlungsfehler führt zu Schadensersatzansprüchen.
Medizinische Behandlungen können keinen Erfolg garantieren. Der Arzt schuldet aber eine ordnungsgemäße Behandlung nach dem jeweils gültigen Facharztstandard. Weicht er hiervon unbegründet ab, spricht man von einem Behandlungsfehler. Führt dieser Behandlungsfehler zu einem Schaden, so kann der Arzt bzw. die Klinik hierfür haften.
Bei den Schäden werden immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) und materielle Schäden (Verdienstausfall, Fahrtkosten, Zuzahlungen, etc.) unterschieden. Heilbehandlungskosten sind gesondert zu betrachten. Bei gesetzlich versicherten Patienten gehen die Erstattungsansprüche für Heilbehandlungen unmittelbar auf die Krankenkasse über. Der Patient kann über diese Ansprüche nicht verfügen. Bei privat krankenversicherten Patienten gehen die Ansprüche nur dann und nur soweit auf die Krankenversicherung über, wie sie von der Versicherung erstattet werden. Besondere Vorsicht ist in diesen Fällen daher bei Vergleichsabschlüssen geboten.
Im Regelfall muss der Patient sowohl den Behandlungsfehler als auch den hieraus resultierenden Schaden beweisen. Hierfür müssen Sachverständigengutachten eingeholt werden. Je nach Art und Schwere des Behandlungsfehlers können aber Beweisleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr greifen. Dann muss ggf. der Arzt nachweisen, dass die eingetretenen Schäden nicht von seiner Behandlung herrühren. Dies ist vor allem bei groben Behandlungsfehlern, Verstößen gegen die Dokumentationspflicht und Befunderhebungsfehlern der Fall.
Die wesentlichsten und häufigsten Fälle von ärztlichen Behandlungsfehlern sind:
Aufklärungsfehler
Ein Aufklärungsfehler liegt vor, wenn der Patient vom Arzt nicht über die wesentlichen Chancen und Risiken eines Eingriffs aufgeklärt wurde, sich dann aber ein solches Risiko realisiert. Sinn und Zweck der Aufklärung ist, dass sich der Patient nach Abwägung der Vorteile und Risiken eines Eingriffs für oder gegen den Eingriff entscheiden kann. Hätte sich der Patient bei Kenntnis des eingetretenen Risikos gegen den Eingriff entschieden, kann dies zu Haftungsansprüchen führen.
Diagnoseirrtum und Befunderhebungsfehler
Ein Diagnoseirrtum kann auch dem besten Arzt unterlaufen, wenn die vorliegenden Symptome auf verschiedene Erkrankungen hindeuten können. Ein Diagnoseirrtum ist daher nur unter engen Voraussetzungen als Behandlungsfehler zu werten, nämlich dann, wenn der Irrtum unter den gegebenen Umständen unvertretbar und damit vorwerfbar ist. Das kann beispielsweise bei der Beurteilung von Röntgen- oder MRT-Aufnahmen der Fall sein, wenn ein ganz eindeutiger Befund "übersehen" wird, den der Arzt hätte erkennen müssen. Vorwerfbare Diagnoseirrtümer sind allerdings relativ selten. Wesentlich wichtiger und mithin eine der häufigste Formen von Behandlungsfehlern sind dagegen die sogenannten Befunderhebungsfehler. Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn der Arzt aufgrund der Symptomatik des Patienten objektiv gebotene Untersuchungen unterlässt, deshalb eine Erkrankung oder Verletzung nicht erkannt wird und aus diesem Grund keine adäquate Behandlung erfolgt (z.B. kein EKG und keine Blutuntersuchung bei starken Brustschmerzen zum Ausschluss eines Herzinfarkts).
Therapiefehler
Fehler bei der Auswahl der Therapiemethode oder deren fehlerhafte Durchführung sind das, was man früher typischerweise "Kunstfehler" nannte. Sie sind in meiner Praxis neben den Befunderhebungsfehlers mit die häufigste Form von Behandlungsfehlern. Fehler bei der Durchführung einer Therapie sind auch mit am schwierigsten nachzuweisen, da sich der Sachverständige bei der Beurteilung des Behandlungsgeschehens auf die Dokumentation verlassen muss und Fehler natürlich meist nicht als solche dokumentiert werden. Nur anhand des Schadens lässt sich in der Regel nicht feststellen, ob es sich tatsächlich um die Folge einer fehlerhaften Durchführung des Eingriffs oder die Verwirklichung eines vorher aufgeklärten Risikos handelt. Einfacher ist dies freilich, wenn bereits die Auswahl der Therapie fehlerhaft war.
Fehlerhafte oder unterlassene Sicherungsaufklärung
Unter der Sicherungsaufklärung versteht man die Information des Patienten über den Umgang mit seiner Erkrankung oder Verletzung nach der Behandlung, d.h. die Sicherung des Behandlungserfolgs. Wer frisch operiert aus einer Klinik entlassen wird, muss wissen, wie er sich verhalten soll, um den Erfolg der Behandlung nicht zu gefährden oder um sich selbst keine weiteren Schäden zuzufügen (z.B. Belastungsaufbau oder Ernährungsvorgaben).
Ablauf der Schadenregulierung
Es werden zunächst die relevanten Befundberichte und die Patientenakte des betroffenen Arztes bzw. der betroffenen Klinik gesichert. Bei gesetzlich krankenversicherten Patienten kann zudem ein kostenloses Haftungsgutachten des Medizinischen Dienstes (MD) eingeholt werden. Die Gutachten haben allerdings nur eingeschränkte Aussagekraft, da sie nur nach Aktenlage erstellt werden und keine prozessualen Beweisregeln beachten. Selbst wenn ein Gutachten des MD einen Behandlungsfehler bejaht oder verneint, hat das noch keine Aussagekraft für einen späteren Prozess.
Sind alle relevanten Unterlagen vorhanden und ergibt sich daraus das Gesamtbild eines Behandlungsfehlers mit entsprechenden Schäden, wird der Arzt bzw. die Klinik angeschrieben und der Behandlungsfehlervorwurf dargelegt. Es meldet sich dann der Haftpflichtversicherer des Arztes bzw. der Klinik, mit dem dann die weiteren Verhandlungen geführt werden. Wird ein Haftungsanerkenntnis abgegeben, können die Schäden beziffert werden. In der Regel versucht der Haftpflichtversicherer dann einen Abfindungsvergleich zu erwirken. Je nach Art und Ausmaß der Folgeschäden kann das auch zur Vermeidung einer weiteren langwierigen Auseinandersetzung angezeigt sein. Wird die Haftung abgelehnt - was leider der Regelfall ist - können die Ansprüche auf dem Gerichtsweg geltend gemacht werden.
Klageweg
Ob eine Klage sinnvoll und machbar ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Reichen die vorhandenen Beweismittel tatsächlich aus, um den Behandlungsfehler und die daraus folgenden Schäden nachzuweisen? Das hängt wiederum in erster Linie davon ab, wie gut die Behandlung und die Schäden dokumentiert sind und ob ggf. auch Zeugen zur Verfügung stehen. Ein ganz wesentlicher Faktor ist aber das Kostenrisiko. Arzthaftungsprozesse sind in der Regel sehr teuer. Es fallen Anwaltskosten und Gerichtkosten an, vor allem Kosten für Sachverständigengutachten. Wie hoch diese Kosten ausfallen, hängt überwiegend von der Höhe der Forderung ab. Gewinnt man den Prozess, muss die Gegenseite auch die eigenen Kosten tragen. Verliert man den Prozess (auch nur zum Teil), so muss der Kläger auch die Kosten der Gegenseite (zumindest teilweise) tragen. Ohne Rechtsschutzversicherung ist ein solches Risiko kaum tragbar. Denn auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe besteht die Gefahr, beim Unterliegen die Anwaltskosten der Gegenseite tragen zu müssen. Hinzu kommt die psychische Belastung durch lange Verfahrensdauern. Auch die Höhe der Forderungen kann für den Erfolg entscheidend sein. Forderungen bis 5.000 Euro werden bei den Amtsgerichten verhandelt, die in der Regel nur eingeschränkt Erfahrung mit Arzthaftungsprozessen haben und bereits mit anderen Verfahren aus dem allgemeinen Zivilrecht überlastet sind. Über 5.000 Euro sind die Landgerichte zuständig, die inzwischen spezielle Arzthaftungskammern eingerichtet haben, so dass die Richter dort mit dem Ablauf von Arzthaftungsangelegenheiten gut vertraut sind. Ein Sieg in erster Instanz ist ebenfalls nicht endgültig. Erstinstanzliche Urteile können in der Regel mit der Berufung angegriffen werden - ggf. auch mehrfach. Nicht selten enden deshalb auch gerichtliche Verfahren mit einem Abfindungsvergleich, um jahrelange Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Es gibt auch die Möglichkeit, über die Landesärztekammern kostenlose Gutachter- und Schiedsverfahren durchführen zu lassen. Allerdings ist die Teilnahme für Ärzte bzw. Kliniken freiwillig und der Schiedsspruch nicht verbindlich. Die Gutachten unterliegen ferner ebenfalls nicht den prozessualen Beweisregeln. Auch wenn das Gutachten der Schlichtungsstelle zugunsten des Patienten ausfällt, kann daher noch ein nachfolgender Prozess erforderlich werden
Im Ergebnis kommt es daher wesentlich auf Ihre persönliche Situation an, ob Sie das Risiko und die Belastungen eines Prozesses auf sich nehmen möchten. Dies zu erörtern ist ein wichtiger Bestandeil meiner Beratung.